Nachruf auf eine, die glücklich machte
Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, bekommen Nachrufe geschrieben, wenn sie sterben. Da steht dann die meist durch Zitate angereicherte Auflistung ihrer Lebensleistungen, feuilletonistisch-visionär aufbereitet, mit der dem Genre angemessenen Betroffenheit. Oft schlummern diese Texte schon auf Vorrat im journalistischen Schublädchen, hat die oder der Betreffende die magische Grenze der 85 Jahre überschritten.
Was aber ist mit denen, deren Leistungen für die Öffentlichkeit sich nicht so klar bemessen lassen? Die weder Bücher geschrieben, neue Behandlungsmethoden entdeckt noch Leinwände gewinnbringend bemalt haben? Die Tag für Tag der gleichen Tätigkeit nachgegangen sind? Die durch ihr Wirken im Hintergrund die Institutionen haben funktionieren lassen? Mit jenen Menschen, die durch ihre alltäglich verrichteten Arbeiten die schönen, die Feiertagsmomente ermöglichen? Die, nicht immer unproblematisch mit all ihren komplizierten Leben und biographischen Brüchen, die noch komplizierten Lebenslagen anderer mit Interesse begrüßt haben. Richtiger wäre zu sagen: Mit Interesse und freundlicher Neugier, jenen großen Gaben, die die Welt zu einem menschlichen Ort machen.
Eine von ihnen ist Karin Weiss. Unsere Karin Weiss. Kartenverkäuferin, Urgestein und guter Geist des Iwalewahaus. Um Karin Weiss, die in dieser Woche verstorben ist, trauern heute viele Menschen auf der ganzen Welt: Künstler_innen und Wissenschaftler_innen, die als Gäste alle am vom ihr reichlich bestückten Küchentisch im Iwalewahaus zusammenkamen. Frau Weiss Name stand in der Dankesliste vieler Ausstellungen – ohne sie, die sie hinter ihrer Verkaufstheke im Iwalewahaus Eintrittskarten verkaufte und über Publikationen, die sie in ständiger nicht-formalisierter Fortbildung las, informierte, wäre viel weniger möglich gewesen – in der Münzgasse und , so war der Plan, nun im neuen Haus in der Wölfelstraße: Ihr Türschild klebt schon im zweiten Stock des Hauses. Oft gab es Mittwoch nachmittags jene Nussecken, die Frau Weiss’ claim to fame in der globalen Kunstwelt waren. “So-was-wie-Familie”, so hat sie diese einzigartige Gemeinschaft von Leuten von überall her einmal genannt. Zum Kern dieser Familie gehörte ‘ihr’ Iwalewahaus, um Nadine Siegert und Ulf Vierke herum.
Frau Weiss kannte das Iwalewahaus, diese einzigartige Bayreuther Institution als Zentrum für die Künste der Welt wie nur wenige. Ulli Beier hatte sie kennengelernt; sie hatte Direktoren kommen und gehen sehen — und ein Gespür für die Bewegungen im und am Haus entwickelt wie keine Zweite. “Ich hätte doch meine Memoiren schreiben sollen”, sagte sie beim letzten Mal, da wir uns sahen. Gut, dass sie uns Jüngeren häufig von den alten Zeiten, von Mythos und Wahrheit, erzählt hat. Beim letzten Gespräch reckte sie zum Abschied die Faust aus dem hellen Laken in ihrem lichten Zimmer im Bayreuther Krankenhaus. Zitierte sich selbst mit dem, was sie den kurz zuvor besuchenden Kolleginnen, den von ihr so geschätzen Sarah Böllinger und Lena Naumann, mitgegeben hatte: “Keep on fighting!” Das werden wir, für die Schönheit, unser aller Frau Weiss zu Ehren.